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Traum mit Badewanne

Mülheim, Sep 2023

Hab geträumt, ich wäre Teil eines Redaktionsteams, und wir würden die Barschel-Affäre nochmal neu aufrollen. „Da holen wir den alten Barschel noch mal aus der Wanne,“ hab ich lachend gesagt, und die anderen lachten mit. Dann ging ich nach Hause – keine Ahnung, wo oder wann und welches Zuhause das war – und dachte, Mensch, da war doch was, Barschel, das ist doch gefährlich, irgendein Geheimdienst hatte da seine Finger im Spiel, sollten wir das wirklich nochmal aufwärmen, das interessiert doch niemanden mehr. Dann fiel es mir wieder ein: der französische Geheimdienst hat ihn umgebracht! Und dann hatte ich eine Art mediales Flashback und sah, wie zwei Taucher eine Miene an einem Schiff anbringen. Ja, dachte ich, genau so muss es gewesen sein, und dann wurde die Miene von den beiden Tauchern – eine Frau und ein Mann, die Monica Bellucci und Vincent Cassel verdammt ähnlich sahen – gezündet, und zwar in einem Hotelflur. Da standen sie eng bei einander hinter einer Tür im Gang, und Vincent drehte an einem Knopf an einer kleinen Fernsteuerung, und dann flog die Badewanne samt Barschel im Hotelzimmer in die Luft, riss ein Loch in die Decke und flog über die Dächer von – tja, irgendeiner Stadt in der Schweiz, mit so niedlichen Dächern wie in einem kitschigen Film, der in Paris spielt, oder besser: wie in einer Aufnahme, die in einem Studio gemacht wurde, in welchem die Dächer von Paris stilisiert nachgebaut worden waren. Die Wanne mit dem toten Barschel – warum eigentlich tot: durch die Explosion oder schon vorher eingeschlafen? – flog weiter und weiter und entfernte sich, und dann war sie weg. Und ich dachte, egal, wie gut wir das jetzt recherchieren, wir werden niemals herausfinden, wo die Wanne damals gelandet ist, und warum der französische Geheimdienst Barschel mit einer Schiffsmiene umgebracht hat. Aber ich wusste, dass ich da nicht mitmachen wollte, denn das war mir zu gefährlich. Als so saß ich wieder in der Redaktion – wo, wann, wieder zurückgelaufen, ich weiß es nicht – und äußerte meine Sorgen, und da fragt mich eine Frau, die genauso aussieht wie Monica Bellucci, wovor ich eigentlich Angst hätte und schaut mich dabei so komisch an, nicht flirtend, eher mit so einer gelassenen, aber doch irgendwie herausfordernden Art. Und ich will antworten, weiß aber nicht mehr, worum es geht, alles weg, und stehe in einer Straße, die so aussieht, als wäre sie Teil der Stadt in der Schweiz, über die gerade noch eine Badewanne geflogen ist, nur kann ich mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, was es mit dieser Badewanne auf sich hatte, und dann blättere ich im Traum die Bilder durch und versuche, zum Ursprung des Traum zurückzugehen, um herauszufinden, was ich da eigentlich geträumt habe, und es will mir einfach nicht gelingen, ich finde den Anfang nicht. Da sitze ich in der Redaktion, und die anderen starren mich alle an, und ich rase im Traum hin und her – verdammt, worum ging es eigentlich, da war doch was, irgendwas Gefährliches, etwas, was erst komisch begann und dann immer bedrohlicher wurde, eine Spionagegeschichte, ein Geheimnis, und dann tauchen etliche Filmsequenzen auf, Jason Bourne läuft mit James Bond durch die engen Gassen in der Schweiz, die schießen auf Robert Redford, der rennt um eine Ecke und versteckt sich vor Gene Hackmann, der neben Orson Welles steht, welcher lacht und mit dröhnender Stimme in einem Tunnel auf ihn einredet, direkt vor ihm Steve McQueen, der mit schmutzigem Gesicht den Gang entlang kriecht und dann grinsend aus einem Loch auf einer Wiese steigt, wo ihm der wild wegrennende Cary Grant über den Kopf springt und ihm dabei fast gegen die Birne tritt, hinter ihm ein Flugzeug, das sehr dicht und tief über ihm vorbeirast, dann steil nach oben in die Luft steigt, und aus dem dann ein Mann im Smoking mit einem Fallschirm springt, den Fallschirm im freien Fall abschnallt und ihn an eine Frau übergibt, die grad neben ihm hinunter fliegt, ihm den Fallschirm abnimmt und ihn sich lässig anschnallt, und der Mann ruft ihr zu, wir treffen uns in der Bar auf dem Gipfel, und sie lacht und antwortet: Meinst du die da?, und zeigt in Richtung einer mutig auf einem Berggipfel platzierten futuristischen Glaskonstruktion, und der Mann nickt grinsend, und die Frau zieht im letzten Moment an der Reißleine, während der Mann in eine Schneewehe unter dem Gipfel fällt und kurz im endlosen Weiß verschwindet, dann wieder auftaucht und den Abhang hinunterrollt, wobei er eine Lawine auslöst, die mit Getöse den Berg hinunter stürzt, aber der Mann schafft es irgendwie, ganz ruhig seitlich aus der Lawine zu treten, die weiter nach unten stürzt und alles mit sich reißt, und er schüttelt sich kurz und wischt sich eine paar Schneeflocken vom gut sitzenden Anzug, zückt eine viel zu große Waffe aus der Innentasche und feuert einen Haken samt Leine auf eine über ihm vorbeiziehende Skigondel ab, es kracht und scheppert, die Scheiben bersten, der Haken bleibt innen am Hebel für die Geschwindigkeitskontrolle hängen, die Gondel beschleunigt, die Leine spannt sich, und der Mann fliegt unter der Gondel hängend in einem irrwitzigen Tempo in Richtung der mondänen Bergstation, springt lässig durch die Scheibe direkt in die schicke Bar, wo die Frau schon auf ihn wartet, immer noch in Fallschirmspringerkostüm, mit dem noch angeschnallten Fallschirm, der hinter ihr bis ans andere Ende des Raumes reicht und über den anderen Gästen und den Tischen liegt, so dass einige Gäste nur als Umrisse unter der Ballonseide zu sehen sind, und die beiden prosten sich am Tresen zu und trinken ihren Cocktail, doch da weht eine Böe und bläht den Schirm auf, und die Frau wird vom Tresen weggerissen, aber der Mann schnappt sich ihre Hand, und so gleiten beide vom Schirm gezogen durch die Bar, dann die Treppe hinauf, dann einen Gang entlang und schließlich direkt in ein Hotelzimmer, wo die Frau den Schirm löst, und die beiden fallen knutschend aufs Bett, und er sagt völlig unaufgeregt: warte mal einen Moment, ich hol uns was zu trinken, und geht ins Bad, und legt sich mit seinem gut sitzenden Anzug in die Badewanne und – ZACK – weiß ich wieder: es ging um Barschel, Mensch, na klar, Barschel in der Badewanne, und da sitze ich in der Redaktion, und sag: der alte Barschel, Mensch, aber den Fall jetzt nochmal aufrollen, das lohnt doch nicht. Der ist doch damals bei der Explosion von diesem Schiff umgekommen, das Schiff mit dem, na, da war was mit einem Regenbogen und Geheimagenten und Tauchern, und die Miene, die hat das Schiff oder, nee die Badewanne, ist nicht die Badewanne mit Barschel untergegangen, war das nicht in einem Hafen in der Schweiz, oder war das in Neuseeland, und die anderen in der Redaktion nicken, ja, richtig, das war damals ziemlich ominös, sehr geheimnisvoll alles, die Sache mit der Badewanne, der Miene und dem französischen Geheimdienst…

Und dann wache ich auf. Und verstehe nicht, was da in meinem Kopf passiert ist.

Autobiografie und Gedächtnis. Der literarisches Versuch über das Unmögliche. (2021)

Als ich 1992 meinem Professor an der Uni dieses Thema für die letzte große Hausarbeit im Hauptstudium vorschlug, bekam ich eine ernüchternde Antwort: Das sind doch zwei Themen, warum schreiben sie nicht erstmal über eines?

Diese Antwort war im Rückblick mitverantwortlich für eine difuse und unbewusste innere Entwicklung, die mich schlußendlich dazu bewogen hat, nicht nur mein Vorhaben einer literaturwissenschaftlich interessanten und neurowissenschaftlich gestützten Hausarbeit aufzugeben sondern mein Studium ganz hinzuschmeissen.

Die Antwort steht in meinen Augen stellvertretend für eine Geisteshaltung, die mir damals von den meisten Dozenten entgegenschlug. In fast allen Seminaren war mehr oder minder das gleiche Mantra zu hören: Deine Ideen und eigenschöpferischen Ansätze sind für das wissenschaftliche Arbeiten völlig irrelevant. Hier geht es um korrektes Zitieren, einwandfreie Quellenangaben, das Wiederkäuen von schon zu Papier gebrachten Gedanken und die gehorsame Eingliederung in einen akademischen Kanon.

Es gab allerdings Ausnahmen. Dr. Jens Becker war so eine. Für mich war er der Archetyp des gelehrten Intellektuellen, der mit Weisheit und Humor Studierende in ihrer Entwicklung befördern konnte, wenn sie denn wollten. Er hatte selbst publiziert und war dem eigenen Schreiben nie abgeneigt, auch dann nicht, wenn Kollegen darüber in akademisch-bornierte Art ihre Nase rümpften. Er ermutigte mich, meine eigenen Wege zu suchen und trotz wissenschaftlicher Zwänge beim Schreiben nie den eigenen Ton, die eigenen Gedanken aufzugeben. Er forderte mich auch heraus, ihn zu überraschen und mit ungewöhnlichen Verknüpfungen neue Wege zu erforschen. Und empfahl meine Proseminararbeit über das Genre Detective Novel einem Lektor beim Ulsteinverlag.

Heute, also fast 30 Jahre später, las ich einen Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung. Darin geht es um die Unmöglichkeit, die eigene Lebensgeschichte objektiv wiederzugeben. Der Artikel folgt exakt dem Ansatz, den ich damals so spannend fand und über den ich schreiben wollte: die Verknüpfung aus literaturwissenschaftlichem Interesse an dem Genre des autobiografischen Romans und der Neugier an den aktuellen psychologischen Erkenntnissen über die Eigenwahrnehmung und Erinnerungsfähigkeit.

Ich muss bis heute darüber schmunzeln – oder wahlweise den Kopf schütteln – dass mir damals vorgehalten wurde, ich wolle über zwei Themen schreiben, wenn doch gerade die Verknüpfung aus fiktionaler Form und neurologischer Vorbedingung das zentrale Thema war. Auch dieses Schubladendenken folgt wahrscheinlich einem neurologischen Muster, welches ich seitdem immer wieder entdecken konnte, ob nun in Behörden, bei Medizinern oder in der Kulturbranche, dort vornehmlich in der Öffentlichskeitsarbeit und der Dramaturgie.

Heute wäre es interresant, in einer Art Meta-Arbeit den damaligen Ansatz zu überprüfen, ihn in Verbindung zu meiner Lebenserfahrung zu stellen, dabei herauszuarbeiten, dass auch ich nicht in der Lage bin, diesen Vorfall ohne Widerspruch und nachträgliche Schönfärberei wiederzugeben, mit der zarten Anmutung einer narzistischen Selbstüberhöhung. Wir machen uns alle zu den Helden unserer eigenen Geschichte.

Wir sind alle Menschen. (Und das gilt auch für die Haustiere unter euch)

Ich nehme mir Volker Metzlers Beispiel zum Vorbild und habe gerade heute morgen angefangen, ein Buch zu schreiben. Es wird eine Mischung werden aus gut recherchiertem Sachbuch und wirklich hilfreichem Ratgeber. Der Titel: Wir sind alle Menschen! Ein kleiner Ausschnitt vorab: „Wir haben manchmal schlechte Tage. Dann aber auch wieder gute. Entscheidend ist zu akzeptieren, dass es anderen auch so geht.“

Eine andere Stelle: „Auf Regen folgt oft Sonne, auf Sonne Regen. Manchmal folgt auf Regen aber auch Schneeregen. Und manchmal folgt auf Sonne Sonnenbrand. Das allein ist aber noch kein Grund zu übertriebener Besorgnis. Erst wenn du nach langem Schneeregen einen Sonnenbrand bekommst, lohnt sich der Weg zum Arzt. Dann aber bitte vorher gut einschmieren und den Regenschirm nicht vergessen.“

An anderer Stelle heißt es: “ Manche von uns möchten keine Kinder. Andere lieben diese besondere Nähe, die Fürsorgeverpflichtung und möchten die alltäglichen Sorgen nicht missen. Wie auch immer du dich entscheidest: Bleib du selbst und vergiss die Körperhygiene nicht.“

Und vielleicht hier als letztes diese Passage: „Vor einigen Jahren trafen sich meine Mutter und mein Vater zufällig bei mir in der Wohnung. Im Hinausgehen sagte mir mein Vater leise: „Mein Gott, die hat ja weiße Haare!“ Kaum war er aus der Tür, bemerkte meine Mutter dann:“ Gott, ist der dick geworden!“ Sie hatten sich getrennt, als ich drei Jahre alt war. Nachdem auch meine Mutter gegangen war, rannte ich zum Spiegel und stellte beruhigt fest, dass ich weder weiß auf dem Kopf noch füllig um die Hüften war. Direkt danach machte ich mich auf die Suche nach einer Lebenspartnerin.“

Ja, das sind erstmal ein paar kleine Lesebeispiele. Ich hoffe, ihr könnt da schon was für euch mitnehmen. Ich werde an dieser Stelle immer mal ein paar kleine Tipps und Tricks für ein zufriedenes und ausgeglichenes Leben hinterlassen. Euer Axel

Weitere Zitate:

„Musik ist für manche Menschen wie ein Rettungsring in höchster seelischer Seenot. Andere können selbst bei genauem Hinhören nur Krach wahrnehmen. So ist selbst ein rein physikalisches-akkustisches Phänomen immer auch eine Frage der psychologischen Perspektive. Mit der Lautstärke in der Musik verhält es sich zudem wie mit dem Würzen von Speisen: Manchen ist etwas schon zu scharf, wo andere das Angebot als noch viel zu fade empfinden. Und hätte Beethoven gewusst, dass es beim Durchbrechen der Schallmauer einen enormen Knall gibt, hätte er sicher mehr Peitschen in seinen Symphonien zum Einsatz gebracht.“

„Egal ob wir als Künstler, Krankenpfleger oder Milliardäre unseren Alltag bewältigen müssen: Wir sind alle gleichermaßen der Schwerkraft ausgesetzt.“

Operation Bengalisches Feuer

Einleitung: Im Jahr 2000 wurde ich zu einem Casting für eine Comedy-Show nach Hamburg eingeladen und sollte ‚Was Eigenes‘ mitbringen. Das Casting verlief für mich persönlich unbefriedigend, auch fehlte den Anwesenden der für eine solche Show meines Erachtens notwendige Humor.

Anläßlich der damals gerade heftig umstrittenen Kampagne des Deutschen Kinderbundes ‚Inder-Arbeit statt Kinder-Arbeit‘ hatte ich eine Anleitung für eine verdeckte Operation der Bundeswehr verfasst, die leider bis heute aus mir unerfindlichen – und von der Regierung geheimgehaltenen – Gründen nicht umgesetzt worden ist.

Operation Bengalisches Feuer

Von Axel Strothmann

Thema: Die Bundeswehr soll eine Gruppe von 30.000 deutschen Arbeitslosen illegal nach Indien einschleusen und dort die selbe Anzahl indischer Fachkräfte entführen – eine verdeckte Operation.

Es spricht: Generaloberst AUF DEM BORN, Leiter der Operation

Situation: BORN spricht auf dem Deck eines Flugzeugträgers zu Führungsoffizieren und Soldaten der KSK Sondergruppe, einer Eliteeinheit.

BORN muss schreien, weil im Hintergrund ein Flugzeug startet. Einiges bleibt unverständlich, er setzt immer wieder neu an:

GUTEN MORGEN, MEINE HERREN, STEHEN… –

STEHEN SIE BEQUEM! ICH HABE DIE ERFREULICHE AUFGABE… –

DER VERTEIDIGUNGSMINISTER HAT MICH GERADE TELEFONISCH DAVON IN KENNTNIS… –

ICH SOLL IHNEN HIER AUF DEM FLUGZEUGTRÄGER GERHARD STOLTENBERG… –

MEINE HERREN: OPERATION „BENGALISCHES FEUER“ MIT SOFORTIGER WIRKUNG UND DRINGLICHKEITSSTUFE 5 GENEHMIGT!

Hält sich den Hut.

MEIN NAME IST GENERAL… –

Bemerkt, dass er immer noch schreit, hält inne und schaut dem Flugzeug nach. Dann mit normaler Stimme:

Generaloberst Auf Dem Born, ich leite diese Operation. Zum Briefing.

Wie sie wissen, dient Operation „Bengalisches Feuer“ zur forcierten Nivellierung der derzeit angespannten heimatlichen Arbeitsmarktlage.

Meine Herren, ich will nicht ins Detail gehen.

Fest steht: Nach Auswertung aller BND-Quellen zeigt die indische Regierung keinerlei Bereitschaft, Computer-Spezialisten zur friedlichen Ausreise nach Deutschland bereitzustellen. Ein inakzeptabler Zustand!

Sie alle werden die schockierenden Bilder vom Wochenende gesehen haben: Leere Maschinen der Indian Air in Frankfurt am Main… Im Lichte diese Entwicklung erscheinen weitere friedliche Alternativen sinnlos.

Das Boot, meine Herren, um hier ein Bild der Marine zu bemühen, ist leer. Ein paar Worte zur Ausgangslage:

Die forcierte Einbringung von 30.000 deutschen Arbeitswilligen in die… indi… ?

Blättert in seinen Unterlagen, der Wind weht sie durcheinander, er hebt sie auf, ordnet sie.

… äh, ja: in die in… dische Wirtschaft und das gleichzeitige Entwenden und Überführen einer etwa gleich großen Menge… ähm… indischer Spezialisten nach Deutschland durch Einheiten der deutschen Bundeswehr… – das wird natürlich international nicht unentdeckt bleiben. Stichwort Völkerrecht.

Ich brauche ihnen also den Ernst der Lage nicht vor Augen zu führen.

Einmischung in innere Angelegenheiten eines souveränen Staates, die Bundeswehr als willfähriger Vollstrecker der deutschen Wirtschaft?

Nein, meine Herren, das sind Schlagzeilen, die wir angesichts des angespannten thematischen Reizklimas um Reformen und Finanzen der Bundeswehr nicht brauchen. Denn:

Operation „Bengalisches Feuer“ gibt der Truppe erstmalig die Gelegenheit, sich als modernes Dienstleistungsunternehmen zu bewähren und die drohenden Einsparungen durch hohe Kopfprämien vom Arbeitsministerium auszugleichen.

Deshalb: gezielte Desinformation!

Das eingangs gestartete Flugzeug nähert sich nun von vorn. BORN, mit Nervosität und brüchiger Stimme, wird langsam lauter.

Das Auswärtige Amt erarbeitet hierzu justamente eine rhetorische Direktive, in der von einer, ZITAT „forcierten, aber versöhnlichen Annäherung“ die Rede sein wird.

Immer lauter.

ICH… ÄH, WARNE IN DIESEM ZUSAMMENHANG AUSDRÜCKLICH VOR EINEM AUSSCHEREN AUS DEM HIERFÜR VORGESEHENEN JARGON.

Sieht das Flugzeug direkt auf sich zufliegen.

KEINE UNÜBERLEGTEN EINZELAKTIONEN, KEINE TOLLKÜHNEN HUSARENSTÜCKEEEEHHH… AHHHHH….

BORN wirft sich auf den Boden, rappelt sich auf, schaut nach hinten, holt tief Luft, wischt sich die Stirn.

Zum konkreten Ablauf:

Operation „Bengalisches Feuer“ gliedert sich in drei Phasen, von denen die erste bereits abgeschlossen ist. DIA 1.

Er dreht sich um und zeigt mit einem Pointer auf eine riesige Karte. Während er zeigt und erklärt, geht er auf und ab.

In enger Kooperation mit einer Spezialeinheit der Waffentaucher hat eine mobile landgestützte Eingreiftruppe hier, hier, hier und hier, die Speisung…

Hält inne, denkt nach.

– Pardon, die Schleusung der 30.000 über die üblichen ver-schlung-gen-nen Pfa-de bis zum Ufer des Hindus durchgeführt. DIA 2.

Er sucht eine bestimmte Stelle auf der Karte, sie scheint sehr klein zu sein. Plötzlich entdeckt er sie.

HIER… an dieser Stelle, wird morgen Abend zum Zwecke der Zielverschleierung eine bunte Talentshow mit großem Hallo, Highlife und dicken Füße veranstaltet. Bitte DIA 3.

Er lacht kurz auf, kichert dann in sich hinein.

Ein Pionierbataillon…hihi… hat bereits vor Ort die logistischen Voraussetzungen… hehe… hierfür geschaffen. Pardon.

Er fängt sich wieder, dann ernst:

Meine Herren, der Programmplan, Stand 4:00 früh: Tigerabwehr, Schlangenbeschwörung, Elefantenrodeo, indisches Karaoke, sowie – DIA 4 – eine kurze eindrucksvolle Show-Vorführung durch ansässige Künstler. Thema: Indisches Melodram und Kamasutra.

Er schaut lange aufs Dia, neigt dabei langsam den Kopf. Dann dreht er sich herum, hebt die Augenbrauen und seufzt.

Abschließend: Feuerwerk.

Gestatten sie mir an dieser Stelle die saloppe Bemerkung: Sich zu amüsieren ist immer wieder eine neue Herausforderung.

Aber Spaß beiseite: Weitere freiwillige Meldungen für dieses gezielte und nicht ungefährliche Ablenkungsmanöver bis spätestens morgen früh 6:00 Uhr an alle wachhabenden Offiziere.

Allgemeinen Tumult, einige stehen auf.

Meine Herren, nehmen Sie bitte wieder Platz!

Keiner hört ihn. Die ersten sind schon fast vom Deck. SCHARF:

MÄNNER! HINSETZEN! Danke. Während der Festivitäten werden unsere Einheiten unbemerkt ins indische Hinterland VOR-STOSSEN. Hier wird an den BND übergeben.

BORN bemerkt jetzt den zunehmenden Seegang, leicht unkonzentriert, mulmig:

Es folgt ein kurzes Verhaltenstraining inklusive Essgewohnheiten, dann die kosmetische Tarnung und schließlich der eigentliche deutsch-indische Personenaustausch. Wir rechnen während dieser Phase mit keinerlei nennenswerter Gegenwehr.

Übelkeit stellt sich ein, leichtes Stottern.

Die genaue Route zur Rückführung der indischen Spezialisten wird erst in letzter Minute vom Bundeskanzler per Depesche per… sönlich… angeordnet, um böse Überraschungen zu vermeiden und die Gefahr einer möglichen Beschädigung der kostbaren Lebendfracht so gering wie möglich zu halten.

Die Inder schlafen nicht, mit Konterspionage ist zu rechnen. Also, meine Herren: Diskretion ist die Butter, mhm… Mutter jeder erfolgreichen Militäroperation.

Im Klartext: Verwundete, Gefangene, Verluste gar… das wäre für die Boulevardpresse ein gefundenes Fressen…

Kurzes Würgen, er hält sich den Mund und sackt nach unten. Ein Offizier tritt an ihn heran, BORN winkt ab.

Nein Danke, es geht schon…

Der Offizier flüstert ihm etwas ins Ohr.

Ach so… was? Aha… Mhmh… Ach was… Wirklich?!

Holt tief Luft und reißt sich zusammen, mit großer Anstrengung:

Meine Herren, ich höre gerade:

Operation „Bengalisches Feuer“ mit sofortiger Wirkung abgeblasen. Wir gehen über zu Operation „Rosentaler Kardaker“!

Vorstoß vom Donaudelta über Bukarest nach Sofia, dort Rekrutierung bulgarischer Spezialitäten…

Ein starker Würgeanfall schüttelt ihn, mit letzter Kraft:

…Pardon, Spezialisten. Briefing, meine Herren, nach der Kaffeepause.

Bis hierhin erst mal vielen Dank!

Geht vorsichtig, aber zügig von Deck.

Die Virusmonarchie – Oh, ewig junge Corona

Eine demente Polemik. (Direkt zum Video auf facebook)

Der folgende Text ist eine Transkription der ungehaltenen Rede eines verwirrten Mannes mittleren Alters, der es sich trotz starker Konzentrationsschwächen dennoch nicht nehmen ließ, zur gegenwärtigen Situation Stellung zu beziehen. Es gilt das gesprochene Wort.

„Meine sehr Verliebten da draußen an den Fischgeräten, wenn sie mich jetzt hören mit angespitzten Stielaugen.

Ich möchte ein paar Gedanken mit dem Intercitynet auf die Reise und gerade auch die jung Gebliebenen unter uns musikalisch in den Süden schicken, damit die gespendeten Organe der öffentlichen Aufsicht wieder biologisch abbaubar sind. Also…

Mir fällt es in diesen Tagen schwer, mich hier so ohne Mutter und Seele ganz allein vom Abschied zu trennen. Und da kommt mir ein Lied nicht aus dem Sinnhaften:

(singt) „Buona Sierra, Signorina, Buona Sierra – It is time to say good-bye to Napoli.“

Denn wer isst nicht gerne an den Stränden vom Stiefel dort unten in Viktualien südlich der Alten… Alpen, wer schlawinert nicht gern auch mal auswärts mit einem frischen Bugatti in der Hand unterwegs ganz befreit vom Speiseeis durch diesen holden Frühlingsblock, der ja meist in den Tälern schmilzt, das wissen ja nur ganz wenige der Auferstandenen, und dabei komme ich ins schwärmerische Flüstern…

(singt) „It is hard for me to whisper Buona Sierra, with that old moon above the Mediterranean sea.“

Wenn der Mond in seiner Farbenpracht sich im Medialen Rettungsmittelmeer spiegelt und sich beim Chianti trotz frühlingshafter Noten jeder versingt, da hilft auch keine gotische Romantik, denn viele kennen mich als rauhbärtigen Sexbombenleger, der mit der Glasfaser in der Hand gern mal zu tief in die Satellitenschüssel spioniert.

(singt) „Spy on me baby, use a satelite, infrared to see move through the night, aim gonna fire shoot me right, I‘m gonna love the way you fight.“

Sie wissen ja, Ich bin eine… und sie ja auch:

(singt) „Sex bomb, sex bomb, you‘re a sex bomb, You can give it to me if I need to be turned on.“

Aber ich will mich da gar nicht in den Vorder oder Hintern beißen…. oder absichtsvoll im Dunkel der Nachtschwester an den Abgrund stibitzen.

Denn wir alle – ALLE, die da jetzt mitmachen beim Nichtsmachen, sind herzlich ein- und ausgeladen. Das ist nicht die Zeit, um anderen gute Radschläge zu schlagen. Jetzt geht es ums Einzelhandeln.

Da müssen wir jetzt alle die Andern anpacken, aber mit dem nötigen An- und Abstand und mal die Erwachsenen sich nicht immer an die eigenen Nase fassen, sondern ruhig auch mal mit der ellbogenverwöhnten Kavallerie eine Schneise der Menschlichkeit durch die Dienstleistungswüste husten und danach die Hände nicht nur in Unschuld sondern mit Seifenblasen den Regenbogen vorne und hinten putzen, sonst wartet am Ende kein Schatz.

Es geht doch um die nächsten und vor allem die übernächsten Liebe, das ist jetzt des Pudels Kernkompetenz, denn wie sagte schon die alte schwimmende Legende Franziska von der Alm: Jetzt ist auch mal Schluss mit Kraulen!

Und diesen Albatros haben wir nicht umsonst Eule genannt, die ist ja mit dem orthopädischen Feuer im Bakelit-Bikini mit Bakunin bis nach Athen geschwommen, ohne weiße Rosen weiße Tauben im Mund und ganz ohne Fremdbeatmung, das müsst ihr euch mal, ich mein, da muss auch für die über 80 bis 30-jährigen endlich mal die Zeit gestoppt werden, und zwar mit heißem Blut unter der kalten Dusche, damit diese elenden Kindergeburtstagsjubiläen aufhören!

Das ist doch auch eine Frage der Verantwortungslosigkeit gegenüber den Jüngeren, das sind wir der älteren Generation schuldlos ausgesetzt gerade wir Alten, mit der nötigen Haltung im aufrechten Gang, denn das war immer schon eine unsere stärksten Tugendsünden, mit unserer Stärke die Schwächeren zu beschmutzen.

Ich sag ja immer seit kurzem: Dement, aber mit Leidenschaft! Aber ich will hier ja nicht bei der Dialyse einschlafen oder als Dienstbote einer bürokratischen Anomalie meinen Humor im Fundbüro der Geschichte suchen müssen.

Um es mal mit den Worten meines alten Arbeitskollegen Johann Wolfgang, er kann heute nicht, leider verhindert, bestraft und ganz schlimm verhaftet worden. Er war sich selbst zu nah, so kennen wir ihn. Innerhalb von Minuten wurde er deaktiviert, seine Beerdigung war ja ein Fest gemauert in der Erden.

Da bin ich wesentlich aktiver, mich kennen sie ja als diesen charmanten alten Zausel, aber damit ist jetzt Schluss, das können sie mir ruhig bleiben, immer ruhig bleiben, denn ich bin nicht mehr bereit, in meinem Alter auf dem Altar der Jugend im Opferhemd, das ist mir persönlich zu zugig. Wie sagte also mein Freund Goethe im Grab:

„Zufrieden saufet jung und alt, ich hab gesungen, jetzt wird mir kalt.“ Und da ist es dann oft schon zu spät für die reanimierten Gefahrenzeichentrickfilme.

Jetzt mal zur geografischen Linguistik: Dieser Wir-Russ… das WIR gleich zu Beginn, da findet auf sprachlicher Ebene eine ganz perfide Anbiederung in der ersten Person und dann auch noch im Plural, rhetorisch geschickt, aber von wem?

WIR und RUSS und US, da ist ja auch fremdsprachlich alles mit drin, und das ist ja die Tücke, dass dieses Ding mehrere rotierende Bohrkerne und trotzdem alles in einer Verhüllung, da wird unser ganzes, schönes immunales Abwassersystem… das ist eine transozeanische Unterwanderung von alpinistischer Demenz, aber ohne Schutzstiefel und keine Heizdecke weit und breit!

Das muss man sich mal, da können wir nicht einfach… mit bloßen Händen ist das Ding ja nicht zu sehen, das ist so unsichtbar, da müsste man ein Teleskop im Kopf eintransplanetiert, und das tut weh, das sage ich ihnen, da könnte ich jetzt mehrere Lieder von singen. Da helfen weder Hammer noch Messer und schon gar kein Klopapier, sondern wenn, dann nur die Pustefixblumenseifenblasen.

Aber bei aller Sauberkeit darf eben die digitale Auflösung der Überwachungsgenossen nicht auf atomare Größe schrumpfen. Meine Privathemisphäre leidet ja jetzt schon mit jeder proktologischen Analyse.

Apropopo: Kommen wir mal zusammen und zu den nackten Hausnummern.

Wenn wir frei nach Ovid 19 oder 12 Monate lang in mindestens fünfeinhalb Ländern mit höchstens 1000 geteilten Menschen und das dann subdivieren mit der Menge an Infusionen, die ja schon alle einen Intelligenztest machen mussten, zum Teil ohne Köper, die kommen ja erst viel später, dann haben wir eine ganz steile Essecke… S-Kurve, und die steigt, bis wir der Pandabärdemie endlich die Bambuszähne schleifen.

Weil, und jetzt mal alle auspacken, anfassen und aufpassen, das ist reinste Geometrie, da können selbst Kinder ohne Eltern mit akademischen Vorurteilen noch von uns alten Hasen sich zu Ostern ein paar Eier abschneiden.

Denn wenn nur ein einziger oder ganz viele von diesen Kohortensorten positiv oder negativ oder sogar kursiv gesetzt werden, in eine Verbreiterung der Menge hinein, dann gibt es… das ist doch klar wie der Fangoschlamm aus der Physiotherapie, das sind Zustände, da wird der Abstand doch immer größer, auch saisonal, trotz eingeflogenem Spargel! Das können wir uns alle an den fünf Händen und Füßen, und zwar mit der schweren Rechenschiebetür, grad wenn die Verwandtschaft nicht ins Haus soll nach der Sperrstunde!

Diese dynamische Statik überflutet uns mit der Waschkraft von zwei Riesen, das ist ein Horrorfilm, der ist doch von alle guten Geistern längst verlassen! Da kann einem schon Angst und Bange auf den Kopf fallen wie die liturgische Decke im Mittelalter.

Ich will jetzt mal eine undeutliche Vorahnung mit dem Rettungswagen machen: Wenn eine Minderheit von besonders gefährdungsresistenten Antizäpfchen, und die gibt es ja schon seit der Antike, da war die uns bekannte Welt noch eine dreidimensionale Flasche, deshalb muss der Abstand heute größer sein als bei den herkömmlichen modernen Flugkörpern, und zwar ganz tief hinten im Drachenraum.

Also einfach mal mit einem Gehstock immer mindestens 150 von den kleinen Metern zwischen sich und den Fuchs bringen, wenn er die Gans stehlen will, da müssen wir gnadenlos schon bei dem geringsten Landeanflug einer aufstoßenden Langeweile, und die schlägt ja oft mit der Kanone auf Spatzen.

Denn – Jetzt kommt’s: Die Reichweite von diesen Mozart, Quatsch, Coronakugeln im Aeroflot verläuft diagonal zur Riechweite der Hauswirte, das nur mal so als Gretchens Faustformel ins graue Oberstübchen reingestellt und da mal mit ganz grellem UV-Licht durch trüb gemalte Scheiben reinleuchten, dann wird das infektöse Schmierkonfekt nämlich schon bei Goethe sofort sichtbar!

Nur so können wir alle gemeinsam die Einsamkeit einer weltweiten Übelkeit und zwar mit radikalen Mitteln aus den Töpfen der Restbestände von zwischenmenschlicher Begnadigung ausmärz, April oder sogar bis Oktober.

An alle, die jetzt schon ihre geimpften Isolationsmatten auf die nackten Genesungswünsche legen wollen, ich möchte zum Ende hier mit dem nötigen Beatmungsdruck an eure resonale Vernunft voltigieren: Schlagt der vielmüpfigen Natter den Boden unter den Füßen ab!

Wenn wir keinen verweinten Regen im strömenden Sommer haben wollen, wo uns vor lauter Schwitzwasser und Kondensmilch der Marmor oder sogar die Steine aus der Corona brechen, dann müssen wir jetzt endlich unseren inneren Großwildjäger aus seinem Schneewittchenschlaf niesen, denn der kennt das alte Spruchband: Erst wenn die Trophäe laut an der Wand schnarcht, ist der Krampf geronnen!

Vive la resentiment! – Schwester Vaxcine, wo bleibt mein Kuchen?!“

Direkt zum Video auf facebook

Kinderläden

Kinderladen, Kesselstr, 60, Dortmund Hafen-Süd, ca. 1970

Ein damals hochaktuelles Spannungsfeld unter westdeutschen Linken Ende 60 – Anfang 70: Die Kindererziehung in Kinderläden.

Auf der einen Seite gab es die reformpädagogischen Überlegungen von bereits beruflich etablierten Eltern mit dem Blick auf antiautoritäter Erziehung, auf der anderen Seite junge Frauen, die als Studentinnen oder Auszubildende noch nicht beruflich etabliert waren und als Mütter über ihren eigenen privaten, familiären und beruflichen Lebensweg entscheiden wollten, somit also nach neuen gesellschaftlichen Ansätzen für sich und ihre Kinder suchten.

Beiden gemein war sicher der Gedanke, dass die Frauenbewegung – sowie die Emanzipation von gesellschaftlichen Minderheiten – und die dafür notwendige Freiheit im Denken eng mit der Kindererziehung verknüpft waren, weil die nächste Generation – vor allem die heranwachsenden Jungen – dialektisch einen immanenten Bestandteil einer solchen Entwicklung darstellen würden. Dazu diese kurze Biografie als Einstieg: https://www.nifbe.de/fachbeitraege/autorinnen-der-fachbeitraege?view=item&id=516:monika-seifert-1932-202&catid=37

Im Rückblick würde ich als direkt Involvierter sagen: Und dann kamen die 80er. Neoliberalismus, neues Männer-Ego, überall ein wiedererstarkendes Bild des prototypisch männlichen Machtgefüges. Muckis, Machos, Macker. Für mich als Filmfan lohnt da immer ein Blick in die Entwicklung Hollywoods und nachfolgend die der westdeutschen Fernsehlandschaft. Die 70er haben eine Unmenge wirklich wertvoller, unglaublich selbstkritischer und reflektierter Werke hervorgebracht.

Es war die Zeit des New Hollywood, des jungen deutschen Films, der Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Folgeschäden des Vietnamkrieges, das Hinterfragen von Machtgefügen und das Zulassen eines brüchigen, gesellschaftlich nicht durchdefinierten Bewusstseins.

In der BRD nahm das Fernsehen seinen Bildungsauftrag durchaus ernst, koproduzierte großartige Filme und bezog oft Stellung zu kritischen Fragen in der Gesellschaft, statt sich hinter dem kleinsten gemeinsamen Nenner und der Quote zu verstecken (Es gibt viele gute Gründe, warum ich als ehemaliger Fernsehjunkie und Kind dieser Zeit heute gar kein Fernsehen mehr schaue.) Manche Sendungen sind vom pädagogischen Standpunkt – Kinderfernsehen – und dem hohen Maß an Diskurskunst – Talkshows, Interviews – bis heute unerreicht.

Für mich liegt der Bruch irgendwo in den Entwicklungen Ende der 70er: Revolution und Geiselnahme im Iran, 2. Militärputsch in der Türkei, Einmarsch der Sowjets in Afghanistan, der letzte emphatisch denkende Präsident der USA, Jimmy Carter, realpolitisch naiv in seinem Vertrauen in die sowjetische Führung und damit ein am gnadenlosen historischen Pragmatismus Gescheiterter, wird ebenso gnadenlos abgewählt, das Herannahen der Monster-Troika taucht am Horizont auf (Thatcher -79, Reagen- 80, Kohl -83), der Iran-Irak-Krieg, die Falklands, Pershings auf deutschem Boden, Iran-Contra-Gate, und unzählige weitere politische Ereignisse, die dazu führten, dass die gesellschaftlich kritischen Fragen, die in den 70ern eine Blütezeit erlebten, wieder in den Hintergrund gedrängt wurden von dem Bedürfnis nach einfachen Antworten auf komplexe Fragen. Die Kulturindustrie der 80er überschwemmte uns dann mit was? Genau: mit Action. Und mit wieder zurückgekehrtem Vertrauen in den „Helden“ mit Waffe in der Hand. Der Humor beeindruckte mit seichtem Schwachsinn, der Porno wurde härter. Es gibt eine Szene in Boogie Nights von Paul Thomas Anderson, die mich nachhaltig beschäftigt hat. Mein Jugendheld Burt Reynolds – ja, ich weiß, aber das ist eine andere Geschichte 😉 – sagt dort als Pornoproduzent Jack Horner in etwa: „Die 70er waren unsere Zeit, und jetzt in den 80ern versauen uns Koks, Aids, die Börsenfuzzies und Reagan das Leben. Alles ist härter, schneller, brutaler, egomaner. Und dann dieser Video-Scheiß! Das ist doch keine Kunst!“ In einer Filmkritik stand sehr passend: „Boogie Nights is the first great film about the 1970s to come out since the ’70s“ (LaSalle, Mick (October 17, 1997). San Francisco Chronicle review“. SFGate.com. Retrieved June 25, 2011.)

Die Virusmonarchie – Auf Grund gesetzt

Bei aller Notwendigkeit der gerade angeordneten Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie bleibt es zwingend notwendig, diese in regelmäßigen zeitlichen Abständen auf ihre Verhältnismäßigkeit und das Konfliktpotential zu überprüfen, welches durch die teilweise faktische Aussetzung unserer Grundrechte in der Gesellschaft entsteht. Nichts währt ewig, auch nicht der Ausnahmezustand. Deshalb heißt er so. Es gibt derzeit eine von vielen erhoffte Veränderung im Denken und die damit verknüpfte Hoffnung, wir mögen als Gesellschaft durch diese Krise erkennen, dass ein Weiter-Wie-Bisher, ein Zurück-Zum-Bekannten nicht sinnvoll ist und sich damit eben auch einige elementare Dinge ändern sollten. Dazu zähle ich persönlich allerdings nicht den Verzicht auf meine Grundrechte als Bürger. Und ganz nebenbei sei angemerkt: Im Grundgesetz findet sich kein Artikel über das Grundrecht auf Billigflüge, auf rauschhaften Konsum von industriell produzierten Waren, auf Massentierhaltung, auf Autobahnen ohn Tempolimit, auf Ausbeutung und Verletzung der Menschenwürde, auf massive Umweltverschmutzung, auf Zukunftsvernichtung für die nachfolgenden Generationen, u.ä. Ganz im Gegenteil. Und nicht umsonst schließt der erste Teil mit Artikel 19 (2): In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden. #lesteuergrundgesetz

Quantenrhetorik

Wie häufig im Leben habe ich heute morgen einen Ausdruck für ein sprachliches Phänomen gefunden im Glauben, dass mich gerade die sprachliche Muse geküsst habe, nur um dann schon ein paar Stunden später bei Surfen im Netz genau diesen Ausdruck bei jemand anderem zu finden. In diesem Fall ist es der Begriff „Quantenrhetorik“.

Wie so häufig beobachte ich bei Gesprächen mit meinen Kindern deren sprachliche Bonmonts mit großer Genugtuung und halte sie als Notiz fest. Viele dieser Sprüche und Gedanken finden sich unter der Rubrik „Kindersprüche“ und „Das Amyrische Gebiet“.

Heute morgen beim Frühstsück sagte also mein Sohn (9 Jahre alt) mehrfach, er habe etwas gesagt, dass er nicht gesagt habe, weil er es eben gesagt habe, es aber nicht gesagt habe. Diese Gespräche sind ebenso anstrengend wie amüsant, je nachdem, ob wir ernsthaft mit ihm über etwas reden möchten oder einfach nur angeregt quasseln. Er wiederholte breit grinsend mehrfach die widersprüchliche Position, er habe etwas gesagt und eben nicht gesagt, dass sei ja das Problem, und deshalb würden wir ihn jetzt nicht verstehen. Daraufhin riet ich ihm, später mal in Richtung Linguistik zu promovieren oder doch zumindest das Fach Jura zu belegen, um dann mit dieser umwerfenden Argumentation die anderen schwindelig zur reden. Dann sagt ich ihm, wenn etwas gleichzeitig wahr und nicht wahr sei und er etwas gesagt habe und es nicht gesagt habe, dann könnten wir dafür ja den Begriff „Quantenrhetorik“ erfinden. Er sei also ein Quantenrhetoriker. Das gefiel ihm.

Und dann habe ich vorsichtshalber mal gegoogelt, um schon mal vorab das Copyright am Begriff zu klären und fand den Begriff auf dieser Seite: https://der-artgenosse.de/depressive-nicht-so-richtig-veganer-und-relativistische-quantenmeinungen/

Zunächst war ich ein bisschen enttäuscht. Dann dachte ich an meinen Großvater, der immer zu mir gesagt hat: „Ideen? Davon hab ich hundert am Tag“, wenn ich ihm wieder mal eine meiner neuesten gedanklichen Erfindungen präsentiert hab.

Vielleicht steckt aber mehr hinter dieser kleinen Begebenheit, dachte ich dann. Es geht ja bei solchen Sachen gar nicht zwingend darum, wer was erfindet, sondern eher um die Frage, was wir aus solchen scheinbaren Kleinigkeiten machen. Die eine bastelt als Comedienne daraus einen Sketch, der nächste als Hobbyautor einen kleinen Text (siehe hier), wieder eine baut das als Dozentin in die Einführung eines Proseminars über „Quantenphysikalische Erkenntnisse in der zeitgenössischen Lyrik“ ein.

Allen gemein ist das kurze Aufhorchen und das Fantasiebedürfnis, daraus weiterführende Gedanken anzustellen. Vielleicht handelt es sich dabei um eine Schwarmerfindung? Auch ein Begriff, denn ich sofort googeln möchte. Und siehe da: Auch den gibt es schon, und zwar in Dresden. https://oiger.de/2020/03/23/schlauer-schwarm-beerbt-da-vinci/174299

Wie dem auch sei, das gleichzeitige Aufkommen ähnlicher oder sogar im Wortlaut identischer Gedanken und Begriffe ist vielleicht auch ein weiterer Beleg für den quantenmechanischen Gedanken, dass wir alle über ein System miteinandern vernetzt sind, welches wir noch nicht verstehen. Und welches viel weitreichender und allumfassender ist als jede derzeit erdenkliche Vernetzung mittels elektronischer Impulse über Standleitungen aus Kupfer oder Glasfaser und Funkstrecken zwischen Masten, Satelliten und Serverparks.

Wenn wir irgendwann die passenden Instrumentarien für diese Art der Kommunikation entwickelt haben, die es uns erlaubt, Zeit und Raum zu überwinden, dann werden wir auf das Zeitalter des Internets mit einem amüsanten Erstaunen zurückschauen und uns fragen, wie wir jemals denken konnten, unser Weg würde weiterhin durch das simple duale Prinzip des An- und Ausbleibens eines Signals geprägt werden.

Die Virusmonarchie – Expertenmenschen

Gestern enstand in einem Gespräch mit einer guten Freundin der folgende Gedanke. Frage: Was haben der Fußballsport und die Corona-Pandemie gemeinsam? Antwort: Das Expertentum. Oder besser: Die Expertentümelei. Erst waren alle Nationaltrainer. Jetzt sind alle Virologen.

Nicht nur ähneln sich der Ball und der Virus (unter dem Mikroskop betrachtet ein Fußball mit Noppen), sie erwecken auch beide in vielen Bundesbürgern den zwanghaften Reflex der spontanen Meinungsäußerung. Schnelle Lösungen werden feilgeboten, Methoden werden präsentiert, das Geschehen wird kommentiert, und das alles geschieht im Duktus des professionell ausgebildeten Fachexperten.

Nun war auch schon beim Fußball den meisten klar, dass bloßes Betrachten eines Vorgang den Betrachter nicht zwingend zum Experten macht. Wer etwas sieht, versteht nicht automatisch die im Hintergund ablaufenden Prozesse, welche zum beobachteten Vorgang führen. Wir sehen einen perfekt geschlagenen Pass, den ein Verteidiger aus der eigenen Hälfte zielgenau in den Lauf eines aufs Tor stürmenden Mitspielers spielt. Was wir nicht sehen, sind die Methoden, mit welchen der Trainer arbeitet, um die Zielgenauigkeit solcher Pässe oder die Antizipation des Verteidigers im Bezug auf den konkreten Spielverlauf und damit die Laufwege seiner Mitspieler zu trainieren.

Es lassen sich also aus der Beobachtung keine konkreten Rückschlüsse darauf schließen, wie etwas erarbeitet wird. Wir sehen immer nur das Ergebnis und stellen dann Vermutungen an. Außerdem beobachten wir das Spiel von schräg oben, also aus einer völlig anderen Perspektive als die im Spiel befindlichen Akteure. Dieser Blick ermöglicht es uns, die Laufbewegungen der Spieler als Ganzes zu erfassen, daraus kurzfristige Prognosen über die zu erwartenden Spielzüge zu treffen und damit die größeren Zusammenhänge der Partie zu erkennen. Wenn überhaupt, dann sind wir nur die Experten unserer eigenen Beobachtung, mehr aber auch nicht. Und selbst die Reflexion der eigenen Beobachtung würde vermutlich keiner intensiveren Befragung nach dem Spiel standhalten, weil wir das Gesehene fast ebenso schnell wieder löschen, wie wir es aufgenommen haben. Denn wir möchten ja gleichzeitig das Spiel genießen.

Wir wechseln also in schneller Bewegung zwischen zwei Positionen: Unreflektiertes Unterhaltungsbedürfnis hier und pseudo-wissenschaftliche Analysetätigkeit dort. Wir tauchen ein ins Geschehen und beobachten gleichzeitig aus der Distanz. Anders ausgedrückt: Etwas ist gleichzeitig an- und abwesend. Der sich spontan aufdrängenden Assoziation dieses Phänomens mit der Superposition in der Quantenphsyik widme ich mich in einem der nächsten Beiträge: Tun oder Nichtstun, das ist hier die Frage.

Etwas Ähnliches erleben wir jetzt mit der Corona-Krise: Immersion und Distanz. Allerdings fehlt hier der Filter der Sportverantstaltung. Wir befinden uns nicht in oder neben einem Spiele, denn jetzt sind wir die handelnde Akteure in dem größten menschlichen Versuch seit dem letzten Weltkrieg. Andererseits mutieren wir – wie ein Virus – in atemberaubender Geschwindigkeit zu Analysten, die auf Basis von wahllos gesammelten und zufällig aufgeschnappten Wirklichkeitsschnipseln dieses Handeln kommentieren und einordnen wollen. Wir geben uns gegenseitig Ratschläge, was nun unbedingt getan werden muss, was wir auf jeden Fall vermeiden sollten, wir bewerten, wer sich richtig und wer sich falsch verhält und damit entweder verantwortungsvoll handelt oder alle Mitmenschen einem lebensgefährlichen Risiko aussetzt.

Wir treffen Prognosen über Infizierungswege, Kurvendiagramme, zeitlich Abfolgen von medizinisch und politisch notwendigen Maßnahmen, wir erklären uns gegenseitig den zellulären Aufbau des Virus und die sinnhafte Aufteilung der Gesellschaft in unterschiedlich gefährdete Risikoruppen. All das tun wir, obwohl die meisten von uns noch vor ein paar Monaten wahrscheinlich nicht mal den Unterschied zwischen Bakterien und Viren befriedigend hätten erklären können und vermutlich mit der Detung des Begriffs der Triage ebenso überfordert gewesen wären wie nun die Mediziner, die genau diese Triage als Entscheidungsgrundlage für den Einsatz von Ressourcen und damit über Leben und Tod heranziehen müssen.

Wir beobachten ständig alle anderen und bewerten ihr Verhalten, erkennen dabei aber nicht die eigene Beschränktheit unseres Blicks. Gleichzeitig werden wir von den anderen beobachtet und dabei dem selben kritischen Blick unterworfen wie sonst die Spieler bei Sportveranstaltungen. Äußerungen wie „Ich hätte ja..“ oder „Warum rennen die denn da hin?!“ zeigen ja nicht, dass wir alle verstehen, worum es geht. Sie zeigen, dass wir – aufgrund unsere menschlichen Fähigkeit zu projezieren – lediglich in der Lage sind, uns in bestimmte Situationen hineinzuversetzen und dann gedanklich durchzuspielen, wie wir reagieren würden. Dieses „Was wäre wenn…“ verleugnet aber oft unsere eigenen Beschränkungen. So wie Kinder problemlos in der Lage sind, sich als Superheld durch die Welt zu bewegen und dabei häufig Gefahren unterschätzen, so verlieren auch wir Erwachsene bei dem gedanklichen Planspiel einer Gefahrensituation die realistische Einschätzung unsere eigenen Konditionierung und den uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.

Wir können den Pass eben nicht so spielen, dass er perfekt auf dem Fuß des Stürmers landet. Wir können uns das wünschen, wir können das denken, wir können es visualisieren. Das allein ist ja schon eine beachtliche menschliche Fähigkeit. Aber wenn wir aufgefordert werden, uns auf den Platz zu stellen und das Gesehene nachzuahmen, stehen wir plötzlich dumm da. Warum? Weil wir weder dazu ausgebildet wurden noch die inneren Vorgänge kennen. Wir besitzen, um es mal sportwissenschaftlich zu sagen, weder die technischen Fertigkeiten noch die mentalen Fähigkeiten eines Profis.

Die Corona-Krise sollte uns eigentlich aufzeigen, dass wir in erster Linie Menschen sind und nicht Experten fürs Menschsein. Anders gesagt: Wir könnten durchaus Experten fürs menschliche Dasein werden, wenn wir zulassen würden, unser fehlerbehaftetes, widerlogisches und irrationales, kurz: allzu menschliches Handeln und Denken zuzulassen und uns mit den ureigenen Widersprüchen zu arrangieren, die unser Dasein in dieser Welt mitsichbringt. Dafür müssten wir alle uns allerdings mit ein paar unbequemen, aber ziemlich interessanten Gedanken auseinandersetzen.

Siehe dazu den Beitrag: Tun oder Nichtstun, das ist hier die Frage.

PAGE ONE

Wer hier Wahrheiten sucht, wird enttäuscht werden.

Hier gibt es in der Hauptsache Wirklichkeit. Meine Wirklichkeit. Und die ist, das gebietet die Form der Überzeichnung, Überhöhung und Stilisierung, sicher nicht deckungsgleich mit einer objektiven Faktenlage.

Nein, dies ist kein Infotext. Kein akademisches Papier mit Quellenangaben. Kein Beipackzettel. Hier findet sich, was ich aus radikaler Subjektivität und mit Schwäche für schrägen Humor für beachtenswert halte, mithin sammle, sortiere und mit sorglosem Kommentar in diesen virtuellen Setzkasten namens Blog stelle.

Page One ist somit auch ein Haftungsausschluss genüber denjenigen, die weiterhin die Welt in zwei Hälften teilen: Ironie versus Ernst, fake news versus sauber recherchierte Fakten, Satire versus polemische Pamphlete und Verschwörungstheorien. Schwarz versus Weiß, plus versus minus. Mir ist diese Dichotomie des Denkens zu ein…- pardon, zu zweiseitig. Es gibt im Leben immer mindestens zwei Möglichkeiten. Ich wähle oft eine aus dem mehrstelligen Bereich. Was ich erfinde, muss ich nicht beweisen.

In meinem Blog gilt wie bei Marktschreiern und Autohändlern: was mit der Inbrunst der Ehrlichkeit und dem Pathos der ewigen Unschuld feilgeboten wird, ist meist erstunken und erlogen und hält gerade bis kurz nach Ablauf der Garantiefrist. Manchmal nicht mal bis zur nächsten Ecke, an der das obligatorische Weinglas steht.

Ich erkläre also hiermit für alle auf diesen Seiten platzierten textlichen Fallgruben die vorsätzliche und geplante Obsoleszenz. Und nichts kopieren, viele Textsstellen sind leicht endzündbar und vernichten sich nach Sekunden von selbst. Mit den üblichen, unvermeidbaren Kollateralschäden.

Jetzt alle:

Wir versauen den Durchschnitt!

Mit Ansichten, Einsichten, mit Weitsicht und Umsicht, mit Faszination für alles scheinbar Banale und die komplexen Abgründe, die sich oft direkt dahinter auftun. Und für die Freunde des gesprochenen Worts und des gehopsten Bildes hier schonmal zur Einführung der schonungslos ehrliche Blick des chronischen Lügners:

Über das Lügen