Mülheim, Sep 2023
Hab geträumt, ich wäre Teil eines Redaktionsteams, und wir würden die Barschel-Affäre nochmal neu aufrollen. „Da holen wir den alten Barschel noch mal aus der Wanne,“ hab ich lachend gesagt, und die anderen lachten mit. Dann ging ich nach Hause – keine Ahnung, wo oder wann und welches Zuhause das war – und dachte, Mensch, da war doch was, Barschel, das ist doch gefährlich, irgendein Geheimdienst hatte da seine Finger im Spiel, sollten wir das wirklich nochmal aufwärmen, das interessiert doch niemanden mehr. Dann fiel es mir wieder ein: der französische Geheimdienst hat ihn umgebracht! Und dann hatte ich eine Art mediales Flashback und sah, wie zwei Taucher eine Miene an einem Schiff anbringen. Ja, dachte ich, genau so muss es gewesen sein, und dann wurde die Miene von den beiden Tauchern – eine Frau und ein Mann, die Monica Bellucci und Vincent Cassel verdammt ähnlich sahen – gezündet, und zwar in einem Hotelflur. Da standen sie eng bei einander hinter einer Tür im Gang, und Vincent drehte an einem Knopf an einer kleinen Fernsteuerung, und dann flog die Badewanne samt Barschel im Hotelzimmer in die Luft, riss ein Loch in die Decke und flog über die Dächer von – tja, irgendeiner Stadt in der Schweiz, mit so niedlichen Dächern wie in einem kitschigen Film, der in Paris spielt, oder besser: wie in einer Aufnahme, die in einem Studio gemacht wurde, in welchem die Dächer von Paris stilisiert nachgebaut worden waren. Die Wanne mit dem toten Barschel – warum eigentlich tot: durch die Explosion oder schon vorher eingeschlafen? – flog weiter und weiter und entfernte sich, und dann war sie weg. Und ich dachte, egal, wie gut wir das jetzt recherchieren, wir werden niemals herausfinden, wo die Wanne damals gelandet ist, und warum der französische Geheimdienst Barschel mit einer Schiffsmiene umgebracht hat. Aber ich wusste, dass ich da nicht mitmachen wollte, denn das war mir zu gefährlich. Als so saß ich wieder in der Redaktion – wo, wann, wieder zurückgelaufen, ich weiß es nicht – und äußerte meine Sorgen, und da fragt mich eine Frau, die genauso aussieht wie Monica Bellucci, wovor ich eigentlich Angst hätte und schaut mich dabei so komisch an, nicht flirtend, eher mit so einer gelassenen, aber doch irgendwie herausfordernden Art. Und ich will antworten, weiß aber nicht mehr, worum es geht, alles weg, und stehe in einer Straße, die so aussieht, als wäre sie Teil der Stadt in der Schweiz, über die gerade noch eine Badewanne geflogen ist, nur kann ich mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, was es mit dieser Badewanne auf sich hatte, und dann blättere ich im Traum die Bilder durch und versuche, zum Ursprung des Traum zurückzugehen, um herauszufinden, was ich da eigentlich geträumt habe, und es will mir einfach nicht gelingen, ich finde den Anfang nicht. Da sitze ich in der Redaktion, und die anderen starren mich alle an, und ich rase im Traum hin und her – verdammt, worum ging es eigentlich, da war doch was, irgendwas Gefährliches, etwas, was erst komisch begann und dann immer bedrohlicher wurde, eine Spionagegeschichte, ein Geheimnis, und dann tauchen etliche Filmsequenzen auf, Jason Bourne läuft mit James Bond durch die engen Gassen in der Schweiz, die schießen auf Robert Redford, der rennt um eine Ecke und versteckt sich vor Gene Hackmann, der neben Orson Welles steht, welcher lacht und mit dröhnender Stimme in einem Tunnel auf ihn einredet, direkt vor ihm Steve McQueen, der mit schmutzigem Gesicht den Gang entlang kriecht und dann grinsend aus einem Loch auf einer Wiese steigt, wo ihm der wild wegrennende Cary Grant über den Kopf springt und ihm dabei fast gegen die Birne tritt, hinter ihm ein Flugzeug, das sehr dicht und tief über ihm vorbeirast, dann steil nach oben in die Luft steigt, und aus dem dann ein Mann im Smoking mit einem Fallschirm springt, den Fallschirm im freien Fall abschnallt und ihn an eine Frau übergibt, die grad neben ihm hinunter fliegt, ihm den Fallschirm abnimmt und ihn sich lässig anschnallt, und der Mann ruft ihr zu, wir treffen uns in der Bar auf dem Gipfel, und sie lacht und antwortet: Meinst du die da?, und zeigt in Richtung einer mutig auf einem Berggipfel platzierten futuristischen Glaskonstruktion, und der Mann nickt grinsend, und die Frau zieht im letzten Moment an der Reißleine, während der Mann in eine Schneewehe unter dem Gipfel fällt und kurz im endlosen Weiß verschwindet, dann wieder auftaucht und den Abhang hinunterrollt, wobei er eine Lawine auslöst, die mit Getöse den Berg hinunter stürzt, aber der Mann schafft es irgendwie, ganz ruhig seitlich aus der Lawine zu treten, die weiter nach unten stürzt und alles mit sich reißt, und er schüttelt sich kurz und wischt sich eine paar Schneeflocken vom gut sitzenden Anzug, zückt eine viel zu große Waffe aus der Innentasche und feuert einen Haken samt Leine auf eine über ihm vorbeiziehende Skigondel ab, es kracht und scheppert, die Scheiben bersten, der Haken bleibt innen am Hebel für die Geschwindigkeitskontrolle hängen, die Gondel beschleunigt, die Leine spannt sich, und der Mann fliegt unter der Gondel hängend in einem irrwitzigen Tempo in Richtung der mondänen Bergstation, springt lässig durch die Scheibe direkt in die schicke Bar, wo die Frau schon auf ihn wartet, immer noch in Fallschirmspringerkostüm, mit dem noch angeschnallten Fallschirm, der hinter ihr bis ans andere Ende des Raumes reicht und über den anderen Gästen und den Tischen liegt, so dass einige Gäste nur als Umrisse unter der Ballonseide zu sehen sind, und die beiden prosten sich am Tresen zu und trinken ihren Cocktail, doch da weht eine Böe und bläht den Schirm auf, und die Frau wird vom Tresen weggerissen, aber der Mann schnappt sich ihre Hand, und so gleiten beide vom Schirm gezogen durch die Bar, dann die Treppe hinauf, dann einen Gang entlang und schließlich direkt in ein Hotelzimmer, wo die Frau den Schirm löst, und die beiden fallen knutschend aufs Bett, und er sagt völlig unaufgeregt: warte mal einen Moment, ich hol uns was zu trinken, und geht ins Bad, und legt sich mit seinem gut sitzenden Anzug in die Badewanne und – ZACK – weiß ich wieder: es ging um Barschel, Mensch, na klar, Barschel in der Badewanne, und da sitze ich in der Redaktion, und sag: der alte Barschel, Mensch, aber den Fall jetzt nochmal aufrollen, das lohnt doch nicht. Der ist doch damals bei der Explosion von diesem Schiff umgekommen, das Schiff mit dem, na, da war was mit einem Regenbogen und Geheimagenten und Tauchern, und die Miene, die hat das Schiff oder, nee die Badewanne, ist nicht die Badewanne mit Barschel untergegangen, war das nicht in einem Hafen in der Schweiz, oder war das in Neuseeland, und die anderen in der Redaktion nicken, ja, richtig, das war damals ziemlich ominös, sehr geheimnisvoll alles, die Sache mit der Badewanne, der Miene und dem französischen Geheimdienst…
Und dann wache ich auf. Und verstehe nicht, was da in meinem Kopf passiert ist.