Operation Bengalisches Feuer

Einleitung: Im Jahr 2000 wurde ich zu einem Casting für eine Comedy-Show nach Hamburg eingeladen und sollte ‚Was Eigenes‘ mitbringen. Das Casting verlief für mich persönlich unbefriedigend, auch fehlte den Anwesenden der für eine solche Show meines Erachtens notwendige Humor.

Anläßlich der damals gerade heftig umstrittenen Kampagne des Deutschen Kinderbundes ‚Inder-Arbeit statt Kinder-Arbeit‘ hatte ich eine Anleitung für eine verdeckte Operation der Bundeswehr verfasst, die leider bis heute aus mir unerfindlichen – und von der Regierung geheimgehaltenen – Gründen nicht umgesetzt worden ist.

Operation Bengalisches Feuer

Von Axel Strothmann

Thema: Die Bundeswehr soll eine Gruppe von 30.000 deutschen Arbeitslosen illegal nach Indien einschleusen und dort die selbe Anzahl indischer Fachkräfte entführen – eine verdeckte Operation.

Es spricht: Generaloberst AUF DEM BORN, Leiter der Operation

Situation: BORN spricht auf dem Deck eines Flugzeugträgers zu Führungsoffizieren und Soldaten der KSK Sondergruppe, einer Eliteeinheit.

BORN muss schreien, weil im Hintergrund ein Flugzeug startet. Einiges bleibt unverständlich, er setzt immer wieder neu an:

GUTEN MORGEN, MEINE HERREN, STEHEN… –

STEHEN SIE BEQUEM! ICH HABE DIE ERFREULICHE AUFGABE… –

DER VERTEIDIGUNGSMINISTER HAT MICH GERADE TELEFONISCH DAVON IN KENNTNIS… –

ICH SOLL IHNEN HIER AUF DEM FLUGZEUGTRÄGER GERHARD STOLTENBERG… –

MEINE HERREN: OPERATION „BENGALISCHES FEUER“ MIT SOFORTIGER WIRKUNG UND DRINGLICHKEITSSTUFE 5 GENEHMIGT!

Hält sich den Hut.

MEIN NAME IST GENERAL… –

Bemerkt, dass er immer noch schreit, hält inne und schaut dem Flugzeug nach. Dann mit normaler Stimme:

Generaloberst Auf Dem Born, ich leite diese Operation. Zum Briefing.

Wie sie wissen, dient Operation „Bengalisches Feuer“ zur forcierten Nivellierung der derzeit angespannten heimatlichen Arbeitsmarktlage.

Meine Herren, ich will nicht ins Detail gehen.

Fest steht: Nach Auswertung aller BND-Quellen zeigt die indische Regierung keinerlei Bereitschaft, Computer-Spezialisten zur friedlichen Ausreise nach Deutschland bereitzustellen. Ein inakzeptabler Zustand!

Sie alle werden die schockierenden Bilder vom Wochenende gesehen haben: Leere Maschinen der Indian Air in Frankfurt am Main… Im Lichte diese Entwicklung erscheinen weitere friedliche Alternativen sinnlos.

Das Boot, meine Herren, um hier ein Bild der Marine zu bemühen, ist leer. Ein paar Worte zur Ausgangslage:

Die forcierte Einbringung von 30.000 deutschen Arbeitswilligen in die… indi… ?

Blättert in seinen Unterlagen, der Wind weht sie durcheinander, er hebt sie auf, ordnet sie.

… äh, ja: in die in… dische Wirtschaft und das gleichzeitige Entwenden und Überführen einer etwa gleich großen Menge… ähm… indischer Spezialisten nach Deutschland durch Einheiten der deutschen Bundeswehr… – das wird natürlich international nicht unentdeckt bleiben. Stichwort Völkerrecht.

Ich brauche ihnen also den Ernst der Lage nicht vor Augen zu führen.

Einmischung in innere Angelegenheiten eines souveränen Staates, die Bundeswehr als willfähriger Vollstrecker der deutschen Wirtschaft?

Nein, meine Herren, das sind Schlagzeilen, die wir angesichts des angespannten thematischen Reizklimas um Reformen und Finanzen der Bundeswehr nicht brauchen. Denn:

Operation „Bengalisches Feuer“ gibt der Truppe erstmalig die Gelegenheit, sich als modernes Dienstleistungsunternehmen zu bewähren und die drohenden Einsparungen durch hohe Kopfprämien vom Arbeitsministerium auszugleichen.

Deshalb: gezielte Desinformation!

Das eingangs gestartete Flugzeug nähert sich nun von vorn. BORN, mit Nervosität und brüchiger Stimme, wird langsam lauter.

Das Auswärtige Amt erarbeitet hierzu justamente eine rhetorische Direktive, in der von einer, ZITAT „forcierten, aber versöhnlichen Annäherung“ die Rede sein wird.

Immer lauter.

ICH… ÄH, WARNE IN DIESEM ZUSAMMENHANG AUSDRÜCKLICH VOR EINEM AUSSCHEREN AUS DEM HIERFÜR VORGESEHENEN JARGON.

Sieht das Flugzeug direkt auf sich zufliegen.

KEINE UNÜBERLEGTEN EINZELAKTIONEN, KEINE TOLLKÜHNEN HUSARENSTÜCKEEEEHHH… AHHHHH….

BORN wirft sich auf den Boden, rappelt sich auf, schaut nach hinten, holt tief Luft, wischt sich die Stirn.

Zum konkreten Ablauf:

Operation „Bengalisches Feuer“ gliedert sich in drei Phasen, von denen die erste bereits abgeschlossen ist. DIA 1.

Er dreht sich um und zeigt mit einem Pointer auf eine riesige Karte. Während er zeigt und erklärt, geht er auf und ab.

In enger Kooperation mit einer Spezialeinheit der Waffentaucher hat eine mobile landgestützte Eingreiftruppe hier, hier, hier und hier, die Speisung…

Hält inne, denkt nach.

– Pardon, die Schleusung der 30.000 über die üblichen ver-schlung-gen-nen Pfa-de bis zum Ufer des Hindus durchgeführt. DIA 2.

Er sucht eine bestimmte Stelle auf der Karte, sie scheint sehr klein zu sein. Plötzlich entdeckt er sie.

HIER… an dieser Stelle, wird morgen Abend zum Zwecke der Zielverschleierung eine bunte Talentshow mit großem Hallo, Highlife und dicken Füße veranstaltet. Bitte DIA 3.

Er lacht kurz auf, kichert dann in sich hinein.

Ein Pionierbataillon…hihi… hat bereits vor Ort die logistischen Voraussetzungen… hehe… hierfür geschaffen. Pardon.

Er fängt sich wieder, dann ernst:

Meine Herren, der Programmplan, Stand 4:00 früh: Tigerabwehr, Schlangenbeschwörung, Elefantenrodeo, indisches Karaoke, sowie – DIA 4 – eine kurze eindrucksvolle Show-Vorführung durch ansässige Künstler. Thema: Indisches Melodram und Kamasutra.

Er schaut lange aufs Dia, neigt dabei langsam den Kopf. Dann dreht er sich herum, hebt die Augenbrauen und seufzt.

Abschließend: Feuerwerk.

Gestatten sie mir an dieser Stelle die saloppe Bemerkung: Sich zu amüsieren ist immer wieder eine neue Herausforderung.

Aber Spaß beiseite: Weitere freiwillige Meldungen für dieses gezielte und nicht ungefährliche Ablenkungsmanöver bis spätestens morgen früh 6:00 Uhr an alle wachhabenden Offiziere.

Allgemeinen Tumult, einige stehen auf.

Meine Herren, nehmen Sie bitte wieder Platz!

Keiner hört ihn. Die ersten sind schon fast vom Deck. SCHARF:

MÄNNER! HINSETZEN! Danke. Während der Festivitäten werden unsere Einheiten unbemerkt ins indische Hinterland VOR-STOSSEN. Hier wird an den BND übergeben.

BORN bemerkt jetzt den zunehmenden Seegang, leicht unkonzentriert, mulmig:

Es folgt ein kurzes Verhaltenstraining inklusive Essgewohnheiten, dann die kosmetische Tarnung und schließlich der eigentliche deutsch-indische Personenaustausch. Wir rechnen während dieser Phase mit keinerlei nennenswerter Gegenwehr.

Übelkeit stellt sich ein, leichtes Stottern.

Die genaue Route zur Rückführung der indischen Spezialisten wird erst in letzter Minute vom Bundeskanzler per Depesche per… sönlich… angeordnet, um böse Überraschungen zu vermeiden und die Gefahr einer möglichen Beschädigung der kostbaren Lebendfracht so gering wie möglich zu halten.

Die Inder schlafen nicht, mit Konterspionage ist zu rechnen. Also, meine Herren: Diskretion ist die Butter, mhm… Mutter jeder erfolgreichen Militäroperation.

Im Klartext: Verwundete, Gefangene, Verluste gar… das wäre für die Boulevardpresse ein gefundenes Fressen…

Kurzes Würgen, er hält sich den Mund und sackt nach unten. Ein Offizier tritt an ihn heran, BORN winkt ab.

Nein Danke, es geht schon…

Der Offizier flüstert ihm etwas ins Ohr.

Ach so… was? Aha… Mhmh… Ach was… Wirklich?!

Holt tief Luft und reißt sich zusammen, mit großer Anstrengung:

Meine Herren, ich höre gerade:

Operation „Bengalisches Feuer“ mit sofortiger Wirkung abgeblasen. Wir gehen über zu Operation „Rosentaler Kardaker“!

Vorstoß vom Donaudelta über Bukarest nach Sofia, dort Rekrutierung bulgarischer Spezialitäten…

Ein starker Würgeanfall schüttelt ihn, mit letzter Kraft:

…Pardon, Spezialisten. Briefing, meine Herren, nach der Kaffeepause.

Bis hierhin erst mal vielen Dank!

Geht vorsichtig, aber zügig von Deck.