Seit ich denken kann, sammle ich Dinge, die mir ins Auge stechen und im Ohr hängen bleiben. Texte, Bilder, Gespräche, Daten & Fakten.
Früher habe ich Servietten und Bierdeckel mit meinen flüchtigen Assoziationen bekritzelt, heute landet das Meiste im Rechner und versinkt in den Tiefen dieser Speichermedien, die alle paar Jahre ihren Geist aufgeben – oft genau dann, wenn ich was suche oder weiter verwursten möchte für eine Lesung oder eine Kurzgeschichte oder die Vorbereitung einer Probe.
Es sind keine wertvollen, vor Originalität strotzenden Literaturentwürfe. Der Wert dieser Gedanken entspricht proportional – und inflationär – der Häufigkeit ihres Auftauchens und dem oft eindimensionalen Inhalt. „Idee kost ’nen Groschen“, wie es so schön im Volksmund heißt. „Du hattest einen Einfall?! Davon hab ich 100 am Tag!“ Hätte mein Opa gesagt.
Es geht also nicht um die einzelnen Sammlungsstücke an sich, welche alleinstehend allenfalls mal zur zart satirischer Miniatur taugen, mal die verschobene Perspektive des Betrachters offenbaren. Die jeweilige Anordnung und für spezielle Anlässe gewählte Auswahl dieses geistigen Allerweltsabfalls lässt im besten Falle eine schillernde, abwegige Oberfläche entstehen, unter der dann die Leser oder Zuhörer ihre eigenen Abgründe wieder entdecken können. Oder auch nicht. Letztendlich ist es Krimskrams.
Die Ansammlung dieser Eindrücke nenne ich Alltagsschrott. Und weil es um meine subjektive Sicht geht, lautet der Untertitel „auf der Rückseite des Lebens“. Wenn ich dann doch mal den Schritt vom Privaten ins Öffentliche wage, dort wieder mal mit dem Rücken zur Wand stehe, der rhetorische Kampf verloren ist und ich eine geschliffene Spitzfindigkeit oder den Lauf der Dinge vor der Nase haben, bekenne ich mich ermattet zu meinem versiegelten Halbwissen und spreche von den „Ansichten eines Schauspielers mit mäßigem Verstand“. Das ist natürlich geklaut, und zwar bei Harry Rowohlt. Er hatte jahrelang eine Kolumne in der Zeit mit ähnlichem Titel, welcher sich auf den Bären Winnie Poo bezog (von Rowohlt herausragend übersetzt und kommentiert). Diese Kolumne habe ich verehrt für ihre ungestüme, unsortierte und unangepasste Art jenseits jeder Form von Durchschnitt. Apropos Bären…
Egal. Zitieren – vulgo: Klauen – gehört zum Handwerkszeug eines jeden Menschen, der sich ausdrücken will. Originäres gibt es nicht mehr, seit Mozart komponiert hat. Oder vor ihm Bach. Oder seit Kant seine Gedanken niederschrieb. Oder ein paar hundert Jahre vor ihm Augustus. Oder weit früher Euklid. Eigentlich sind wir seit Homer und Aristoteles immer dem gleichen Muster auf der Spur. Warum auch nicht? Wir haben uns evolutionär seit ca. 50.000 Jahren nicht wirklich weiter entwickelt. Erstarrt in Todsünden, denen wir kaum entkommen können: Hochmut, Neid, Zorn, dazu Völlerei, Trägheit, Habgier und… das andere. Wo war ich? Alltagsschrott. Viel Spaß beim Stöbern.